Shodo 書道 (der Weg der Schrift) & Sumie 墨絵(Tuschebilder)

Shodo, die Kunst mit Pinsel und Tusche chinesische oder japanische Schriftzeichen zu schreiben, gilt in Ostasien als Mutter aller Künste. Die chinesische Schrift ist ursprünglich eine Bilderschrift, deren älteste bekannte Formen über 3500 Jahre alt sind. Die Schrift, bei der jedes Zeichen eine Bedeutung hat, wurde immer abstrakter und bis ins 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung entwickelten sich fünf verschiedene Schriftstile. Jede heutige kalligraphische Form kann auf einen dieser fünf Stile zurückgeführt werden.    

Sumi-E wird mit den selben Materialien ausgeführt wie Shodo, hat sich jedoch erst später entwickelt und benutzt zum Teil Pinseltechniken, die für die Schrift entwickelt wurden.

 

Shodo ist nicht nur eine vielfältige Kunstform, sondern auch eine meditative Tätigkeit, die verschiedene Sinne anspricht. Papier und Pinsel fühlen sich nicht immer gleich an, frisch angeriebene Tusche hat einen angenehmen Geruch und das optische Vergnügen schöner Materialien runden das Vergnügen ab.

Nicht zuletzt ist Shodo aber ein Weg der Selbstvervollkommnung. Der Pinsel ist ein subtiler Tanzpartner und gleichzeitig ein strenger Lehrmeister, der uns nicht belügt. Spontane Schriftkunstwerke, besonders von Zen-Buddhisten, werden in Japan "Tuschespuren" genannt, Spuren des Geistes, die auch nach Jahrhunderten ihre Frische nicht verlieren.

 

Beispiele meiner Werke finden Sie hier.

Siehe auch Gentekis Webseite seines Shodo-Ateliers Kaikatsu An.

Die fünf Schriftstile

Tensho 添書, die Siegelschrift

 

Die ältesten Schriftzeichen (16.-11. Jh.v.Chr.) wurden eingeritzt in Knochen gefunden, weshalb sie Knochenschrift genannt werden.

Später entwickelten sich die Metallschrift und die kleine Siegelschrift.

Die Siegelschriften waren noch Ritz-Schriften, da sie vor der Erfindung von Pinsel und Tusche entstanden. Heute werden sie von Schriftkünstlern auch mit Pinsel geschrieben.

Der Name "Siegelschrift" kommt daher, dass sie heute vorwiegend für Namensstempel benutzt wird.

Reisho 隷書, die Amtsschreiberschrift

 

Erst die Erfindung von Pinsel und Papier ermöglichte eine schnelle und flüssige Schreibweise mit sich stufenlos ändernder Strichstärke. Reisho wurde zu Beginn der Han-Zeit noch auf Holz- oder Bambusstäbchen geschrieben, bevor das Papier sich durchsetzen konnte. Mit der Notwendigkeit immer schneller schreiben zu können, entwickelten sich aus Reisho die Kursivschriften Sosho und Gyosho, sowie die heutige Regelschrift Kaisho.

Sosho 草書, die Kursivschrift

 

Sosho ist eine extrem vereinfachte Schnellschrift, die grosse Freiheit im künstlerischen Ausdruck erlaubt. Da es jedoch über 50'000 verschiedene chinesische Schriftzeichen gibt muss man sich genau an Regeln halten, weil die Schrift sonst nicht mehr lesbar wäre. Trotzdem kann sie heute in Japan oder China nur noch von den wenigsten gelesen werden.

Gyosho 行書, die Halbkursivschrift

 

Gyosho ist nur relativ wenig vereinfacht und zeichnet sich durch eine elegante Verbindung der Linien aus. Sie lässt sich gut lesen und flüssig schreiben, so dass sie heute als Handschrift (auch mit Kugelschreiber usw.) benutzt wird.

Kaisho 楷書, die Regelschrift

 

Kaisho ist die zuletzt entwickelte Schrift, die besonders in der Tang-Zeit sehr beliebt war. Aus ihr haben sich die heutigen Druckschriften entwickelt.

Egal ob Schulkinder oder angehende Schriftkünstler, jeder versucht sich erst einmal an Kaisho.

Die vier Schätze der Schreibstube

Vier Materialien sind für die ostasiatische Schriftkunst notwendig und und haben grossen Einfluss auf  ihre Qualität:

Pinsel, Tusche, Reibstein und Papier.

 

Pinsel

Der Pinsel hat den grössten Einfluss auf das Werk. Ein geübter Shoka (Schreibkünstler) sollte mit jedem Pinsel schreiben können, aber nicht jeder Pinsel ist für alle Schreibstile geeignet. Gute Pinsel für die Regelschrift zum Beispiel, formen immer eine schöne Spitze und benötigen deshalb, neben Saugkraft, auch eine bestimmte Spannkraft. Dies wird oft durch die Verwendung von zwei Haar-Arten in einem Pinsel erreicht. Es ist schwierig in der Schweiz gute Pinsel zu kaufen und man sollte sich nicht durch einen aufwändig gestalteten Griff täuschen lassen.

 

Tusche

Chinesische Tusche ist wasserfest und lichtecht. Sie wird aus Russ und einem Bindemittel hergestellt. Tuschstäbe sind oft schön verziert, aber auch hier gilt, dass die Verzierung nichts mit der Qualität zu tun hat. Gute, alte Tusche wird sogar gesammelt und als Antiquität gehandelt. Die Preisunterschiede können sehr gross sein. Heute wird aus Bequemlichkeit auch oft flüssige Fertigtusche verwendet.

 

Reibstein

Die Tusche muss auf einem Reibstein angerieben werden. Der Stein wird aus Natur- oder Kunststein gefertigt, kann jedoch auch aus Keramik bestehen. Seine Oberfläche bestimmt mit, wie fein die angeriebene Tusche wird. Reibsteine können sehr teuer sein, sind aber bei guter Pflege auch sehr langlebig und werden über Generationen vererbt.

 

Papier

Ostasiatisches Papier ist sehr dünn, saugfähig und dank langer Fasern relativ fest. Gute Papiere sind lichtecht. Da das Papier sehr dünn ist, muss später ein zweites Papier vollflächig aufgezogen werden. Auf Japanisch wird dies "ura uchi" genannt. Es glättet und stabilisiert das Papier, während die Tusche mehr Tiefe bekommt.

Westliches, geleimtes Papier ist für Shodo nicht geeignet, da die Tusche auf der Oberfläche bleibt und nicht in die Fasern eindringen kann.